Falknerei: Der hat ja nen Vogel!
Beizjagd nennt man die „alte Kunst“ des Abtragens von Greifvögeln und die Jagd mit ihnen auf Feder- und Haarwild. Die UNESCO hat die Falknerei 2010 sogar als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.
Plötzlich fährt unmittelbar vor uns ein Feldhase aus der Sasse und flüchtet im Halbkreis nach rechts weg. „Baghira“, das stramme Habichtsweib, hat die Bewegung längst eräugt. Beinahe lautlos stößt sie sich vom linken Arm des Falkners ab. Mit den kurzen gedrungenen Flügeln nimmt der Beizvogel schnell Geschwindigkeit auf und schwenkt auf den Pass des Hasen ein. Erst 50, dann 30, nur noch zehn Meter, schon fahren die spitzen Dolche dem noch einen Haken schlagenden Meister Lampe voll ins Leben. Er klagt kurz auf, aber der Habicht hat seine tödlichen „Waffen“ fest in den Kopf des Hasen gebohrt. Seine Beute mantelt der Greif instinktiv mit den ausgebreiteten Schwingen ab und fängt an zu kröpfen.
Jäger und Jagdhelfer im perfekten Einklang
Wer einmal mit einem Falkner unterwegs war, kommt von diesem faszinierenden, lautlosen Naturschauspiel kaum mehr los. Ist schon die gemeinsame Jagd mit dem abgeführten Jagdgebrauchshund eine Augenweide, so ist die Zähmung und das Abtragen des Beizvogels die hohe Schule des Waidwerks.
Zusätzlich zum Jagdschein ist eine Falknerprüfung erforderlich,
darüber hinaus braucht man die Beizerlaubnis des Revierinabers.
Für die man eine eigene Falknerprüfung zur Erlangung des Falknerjagdscheins zusätzlich zum Jagdschein benötigt. Wer kein eigenes Revier hat, braucht darüber hinaus eine Beizerlaubnis des Revierinhabers, weil der Vogel in seinem Freiheits- und Jagddrang auch mal gern die Reviergrenze ignoriert.
Die Falknerei, auch Beizjagd oder Beize genannt, leitet sich vom Begriff „beißen“ ab. Denn speziell Falken töten ihre Beute durch einen gezielten Biss in das Genick. Andere Beizvögel schlagen zwar auch in der Luft zu, töten da aber wie am Boden mit ihren dolchartigen Fängen. Je größer die Beute ist, desto eher müssen weibliche Greife eingesetzt werden. Das liegt am Größenunterschied (Geschlechtsdimorphismus) zwischen Männchen und Weibchen.
Die Falknerei reicht weit zurück
Keine Jagdart stand über Jahrhunderte so in der Blüte wie die Beizjagd. Bereits in den Gräbern altägyptischer Pharaonen fand man mumifizierte Falken. Sie wurden als Gottheit verehrt und kamen zwar jagdlich nicht zum Einsatz, aber es zeigt, dass sie schon damals als etwas ganz Besonderes galten.
Der Falke gilt in der arabischen Welt als Statussymbol. Wo Geld keine Rolle spielt, finden sich auch Spezialkliniken für die gefiederten Jäger.
Bis heute ist der Falke in der arabischen Welt ein Statussymbol. Die frühesten Darstellungen von Mensch und Greifvogel stammen aus dem Vorderen Orient und sind auf 1400 v. Chr. datiert. Ob sie damals schon im Team jagten, ist unbekannt. Der erste Nachweis einer gemeinsamen Jagd wurde in China im 7. Jahrhundert v. Chr. gefunden. Dabei könnte die Jagd mit dem Greif schon viel früher in den Steppen Mittelasiens stattgefunden haben. Denn in den deckungslosen Ebenen war der Raubvogel ein viel effektiveres „Jagdgerät“ als irgendeine damals vorhandene Waffe.
Die Adlerjäger im mongolischen Altai, auch Berkutschi genannt, beizen mit ihren weiblichen Steinadlern (dann meist zwei) sogar Wölfe.
In Europa wurde die Falkenjagd erstmals 330 n. Chr. erwähnt. Während sie sich bei den Griechen und Römern nicht durchsetzen konnte, wurde sie in Westeuropa nach den Kreuzzügen zu einer Kunstform stilisiert und zu einem Privileg des Adels, der auf den eigenen Latifundien dem „wilden Falk“ mit seinem edlen Ross nachsetzte. Kein anderer war mit der Beizjagd so eng verbunden wie Friedrich II. (1194 bis 1250). Seine Hinwendung zur Ornithologie und Natur bescherte uns das wohl umfassendste Werk zur Falknerei: „Von der Kunst mit Vögeln zu jagen“ – erstmals erschienen 1596. Seine wissenschaftlichen Forschungen erstreckten sich vom Vogelzug über Flughöhen und Flügelschläge bis hin zu anderen Vogelarten wie Trappen und Reihern, die ebenfalls mit dem Falken bejagt wurden.
Von edlen Prachthauben und normaler Ausrüstung
Kaiser Friedrichs Falkner trugen unterschiedliche Kappen und Hüte, je nachdem, welche Tätigkeit sie um die edlen Greife herum ausübten. Aber auch seine Beizvögel trugen Hauben, um sie vor ängstigenden Eindrücken zu bewahren und sie zu beruhigen, was er im Orient kennengelernt hatte. Dass sich diese Hauben später zu edelsten Prachthauben aus Silber, Gold, Edel- und Halbedelsteinen entwickelten, ist auch denen geschuldet, die die kostspielige Jagd ausübten. Zur typischen Ausrüstung des Falkners gesellen sich Utensilien wie die Falknertasche, der Falknerhandschuh, Falkenbells (Glöckchen) oder das Geschüh. Bei letzterem handelt es sich um Ledermanschetten, die um die Ständer des Greifs angebracht werden. Sie dienen dem Festhalten des Beizvogels und verhindern das unkontrollierte Abspringen von der Falknerhand.
Der im Sturzflug über 300 km/h schnelle Wanderfalke tötet seine Beute in der Luft durch einen gezielten Biss ins Genick (Bisstöter).
Natürlich gibt es auch bei den Falknern eine eigene Zunftsprache, die die wichtigsten Fachausdrücke korrekt benennt. Geht es zum Beispiel mit dem Vogel raus zur Beize oder hat dieser Beute geschlagen, dann wird „Falknersheil“ gewünscht und mit „Falknersdank“ erwidert. Wer das faszinierende Falknerhandwerk erlernen und damit diese Traditionen erhalten will, sollte sich an einen der drei Verbände in Deutschland wenden. Der Deutsche Falkenorden (DFO) ist der älteste und wurde 1923 in Leipzig gegründet. 1959 folgte der Orden Deutscher Falkoniere (ODF). Kurz nach der Wiedervereinigung entstand 1990 schließlich noch der Verband Deutscher Falkner (VDF), der die Beizjäger auf dem Gebiet der früheren DDR vereinigte.
Die Falkner haben ihre Nischen gefunden
In Deutschland gibt es aktuell etwa 2.000 aktive Falkner. Die überall dort die freie Beizjagd mit dem gefiederten Gesell ausüben, wo sie selbst ein Jagdrevier gepachtet oder aber das Einverständnis der Revierinhabers haben.
In der Stadt, wo ein Schuss zu gefährlich ist, finden Falkner
mit ihren Beizvögeln eine weitere Nische.
Darüber hinaus hat die Falknerei weitere Nischen gefunden: etwa auf Flughäfen, um Vogelschlag zu verhindern, oder die Jagd nach Tauben, Rabenkrähen und Kaninchen auf Friedhöfen und befriedeten Bezirken in der Stadt. Eben überall dort, wo der scharfe Schuss zu laut und vor allem zu gefährlich ist.
Text: Franziska und Sascha Numßen
Bilder: Dmitry Grigoriev - unsplash, Andre Klimke - unsplash, Darshan Gajara - unsplash, Lightscape - unsplash, Mathew Schwartz - unsplash, Egor Myznik - unsplash